In der OV vom 29.03.2011 äußert Andreas Kathe seine Meinung zum Umgang mit der Atomkraft und stellt fest: „Wir haben keine Erdbeben und das nächste Atomkraftwerk steht bei Lingen, gut 60 km weit weg. Energiepolitik holt uns im Landkreis Vechta wohl eher ein, wenn wir über Biogasanlagen, Solardächer und Windenergieparks reden.“ Und weiter stellt er fest, dass „Glaubwürdigkeit und Gradlinigkeit (…) auch in der Kommunalpolitik tragende Elemente“ seien. Im darüber abgedruckten Artikel wird der Landesvorsitzende der CDU, Franz-Josef Holzenkamp, zitiert mit den Worten: „Wir können doch jetzt nicht alles in Frage stellen, wofür wir immer gestanden haben.“ Also alles wie gehabt. Gradlinigkeit und Beständigkeit – egal, was auch kommen mag?
Doch der Reihe nach:
Richtig an der Aussage von Herrn Kathe ist zunächst einmal die Entfernung von Lingen bis Vechta – es sind tatsächlich ca. 60 km. Doch das war es dann aber auch schon.
Wichtig zu wissen ist, dass Deutschland mit seiner Lage in Europa in einer Westwindzone liegt. Überwiegend weht der Wind in der nördlichen Hälfte Deutschlands mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von drei bis vier Meter pro Sekunde (ca. 15 km/h) also von West nach Ost. Das AKW Lingen liegt etwa auf 52°29‘ N westlich von uns, der Dümmer liegt auf dem selben Breitenkreis, Vechta auf 52°43‘ N.
Sollte es im AKW Lingen also zu einem Störfall kommen, wäre eine radioaktive Wolke bei Westwind mit der oben genannten Durchschnittsgeschwindigkeit in vier Stunden bei uns. Das wäre aber nur Windstärke 2. Wenn‘s heftiger weht, geht’s eben schneller. Erdbeben haben wir nicht. Stimmt. Aber Sicherheit? Muss immer die Erde beben vor einem Störfall?
Die Wahlergebnisse in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben einen „Japan-Effekt“ mitgenommen. Aber so ganz einfach scheint es dann doch nicht zu sein. Ein Umdenken hat bereits begonnen, und nicht alles lässt sich auf Japan zurückführen. Und in der Atompolitik ist ein Umdenken lange überfällig. Allein die Tatsache, dass man nach wie vor daran festhalten will – Herr Brüderle hat es gesagt und muss zum Mai deshalb ja auch „vom Netz gehen“, sprich, sein Amt zur Verfügung stellen – zeigt doch, wie ernst es der Regierung mit dem Moratorium und dem Ausstieg ist. Bis dahin verrichtet Brüderle seinen Job quasi wie in einem Abklingbecken.
„Wir können doch jetzt nicht alles in Frage stellen, wofür wir immer gestanden haben.“ Das nenne ich salopp das „Steinzeitargument“:
„Wir sollen unsere Höhlen verlassen und in Hütten ziehen – wo kommen wir denn da hin? Wir können doch nicht alles in Frage stellen … — Was hast du da erfunden? Das Rad? Was soll das denn? Geh weg. Wir können doch nicht …“
Dieser Satz von Herrn Holzenkamp hat in dem Zusammenhang schon fast etwas Weinerliches und Verzweifeltes. Doch, Herr Holzenkamp, genau das wird von der CDU erwartet. Stellen Sie in Frage. Bewegen Sie sich mit der CDU endlich. Japan ist letztlich überall und wahrscheinlich war es bisher einfach nur Glück, dass alles glatt gegangen ist. Und sicher war es auch eine Menge Geld, die alles glatt gehen lassen musste. Aber eines ist gewiss: Die Energiezukunft MUSS anders aussehen. Atomkraft kann und wird es nicht sein. Und je eher auch in den Politikerköpfen dieses Umdenken einsetzt, desto besser für uns alle.
„Die Bürger wollen sich nicht länger hinters Licht führen lassen.“ Darin stimmen wir Herrn Kathe zu. Und es ist endlich Zeit, dass Leben und Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger vor Milliardengewinne der Atomindustrie treten, auch wenn damit etwas in Frage gestellt wird.