Mindestlohn unverzichtbar

Die Spargelsaison hat begonnen und die weißen Stangen lachen uns auch in diesem Jahr wieder in guter Qualität an. Frisch gestochen landen sie in den Regalen der Lebensmittelläden oder werden quasi im Direktverkauf in kleinen Holzbuden auf Parkplätzen angeboten – das Kilo zwischen fünf und acht Euro.

Wanderarbeiter aus Osteuropa als Erntehelfer machen es möglich. Sie stechen Spargel, pflücken (bald) Erdbeeren oder helfen bei der Gemüseernte. Ihr Lohn ist niedrig und doch wesentlich höher als in ihren Herkunftsländern, was diese Menschen immer wieder zu saisonal weiten Fahrten veranlasst, in ihrer Heimat oft den Jahresurlaub dafür verwendend, Familie und Bekannte verlassend, um die Existenz der Angehörigen in der Heimat sicherzustellen.

Und hier bei uns? Natürlich orientieren sie sich an den Verdienstmöglichkeiten. In einem Artikel der OV vom 29.04.2011 wird der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in CLP und VEC Bernd Heyne zitiert mit den Worten: „Sie werden nicht für sechs Euro arbeiten, wenn es woanders für die gleiche Arbeit acht Euro gibt.“ Und weiter unten gegen Ende des Artikels heißt es dann:

Für die Gemüsebauern ist es bereits spürbar, dass der Arbeitsmarkt in Bewegung geraten ist. ‚Bei uns sind einige Bewerber kurzfristig abgesprungen‘, bedauert zum Beispiel Doris Jahn – auf ihrem Gemüsehof in Schneiderkrug läuft die Spargelernte. ‚Die Arbeiter müssen sich eben nicht mehr festlegen, das merken wir.‘ Sie hofft, dass dieser Trend sich bis zur Erdbeerernte nicht weiter fortsetzt.

Spargelernte

Zwischen 12000 und 13000 Saisonarbeiter, so schätzt Heyne, seien jährlich in den Agenturbezirk eingewandert – Arbeiter, die sich nach einer Stunde Arbeit auf dem Feld später im Supermarkt gerade einmal einen Kilo von dem leisten können, was sie tagsüber in gebückter Haltung und in Knochenarbeit geerntet haben. Mindestlohn? Fehlanzeige.

Und wenn Frau Jahn befürchtet, dass sich ein Trend des Weiterziehens fortsetzen könnte, dann könnte das doch auch mit den Verdienstmöglichkeiten in den hiesigen Gebieten zusammenhängen. Wie sagte doch Herr Heyne: Sie werden nicht für sechs Euro arbeiten, wenn sie woanders acht bekommen können.

Was wäre die Folge eines Mindestlohns für diese Arbeitskräfte? Ja, wahrscheinlich würde der Spargel etwas teurer, der Verdienst der Anbieter vielleicht etwas geringer, was aber nicht einmal sein muss. Aber wo ist denn das Gemeinschaft, wo ist denn das Europäische Gemeinschaft, wenn wir hier in den reichen Staaten das soziale Gefälle zwischen (Süd)Ost und West ausnutzen, um unseren Mittagstisch zu füllen und das quasi auf den gebeugten Rücken der schwerst arbeitenden Saisonkräfte? Unter Gemeinschaft verstehe ich etwas anderes. Ruth Honkomp formuliert es in ihrem Kommentar zu besagtem OV-Artikel so:

Menschen, die bereit sind, zur Sicherung der Existenz ihrer Familie Angehörige und Heimat zu verlassen, sind immer auf gesellschaftlichen Schutz angewiesen. Es wäre naiv zu glauben, dass sie die gleichen Rechte wie die einheimischen Arbeitskräfte einklagen könnten. Wenn sie ungerecht behandelt werden, bleibt ihnen nichts anderes übrig als weiterzuziehen.

Recht hat sie. Und was passiert dann mit dem Spargel auf den Feldern? Er wird schießen und ins Kraut gehen, untergepflügt werden und unseren Mittagstisch garantiert nicht erreichen, oder würden Sie für 6 Euro die Stunde (vielleicht sogar weniger) diesen Job machen wollen? Gerechtigkeit ist ein Wesensmerkmal innerhalb einer Gemeinschaft. Und gerecht kann es nicht sein, wenn wir andere für einen Hungerlohn für uns die schwere Arbeit machen lassen, weil diese gar nicht anders können, wenn sie ihre Existenz sichern wollen.

Ein Gedanke zu „Mindestlohn unverzichtbar

  1. Katja

    Hier müssen am Ende alle gleich behandelt werden, egal woher sie kommen. Ich sehe den Mindestlohn daher als ganz wichtigen Schritt an, der auch konsequent durchgezogen werden muss.

    Antwort

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